Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen. Auch will ich zur selben Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen. Und ich will Wunderzeichen geben am Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchdampf. Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des HERRN kommt. Und es soll geschehen: Wer des HERRN Namen anrufen wird, der soll errettet werden. Joel 3



Philothea: Vom Gehorsam

Aus der Philothea von Franz von Sales  /  dritter Teil /  11. Kapitel 

Vollkommen macht uns allein die Liebe; Gehorsam, Keuschheit und Armut aber sind die drei großen Mittel, zur Vollkommenheit zu gelangen.
Der Gehorsam weiht unser Herz, die Keuschheit unseren Leib, die Armut unseren Besitz der Liebe und dem Dienst Gottes. Sie sind die drei Arme des geistlichen Kreuzes; alle drei aber stehen auf dem Stamm der Demut.
Hier will ich nicht vom feierlichen Gelübde dieser drei Tugenden sprechen, das betrifft ja nur die Mönche; auch nicht von den einfachen Gelübden. Das Gelübde fügt zwar den Tugenden viel Gnade und Verdienst hinzu, es ist aber zur Vollkommenheit nicht notwendig, sie zu geloben, sondern sie zu üben. Wenn sie als Gelübde, besonders als feierliche Gelübde übernommen werden, dann stellen sie den Menschen in den Stand der Vollkommenheit; aber um den Menschen vollkommen zu machen, genügt es, sie zu üben. Zwischen der Vollkommenheit und dem Stand der Vollkommenheit ist ja ein großer Unterschied: Alle Bischöfe und Ordensleute sind im Stande der Vollkommenheit, leider aber nicht alle vollkommen, wie es nur zu offenkundig ist.

Bemühen wir uns also, diese drei Tugenden gut zu üben, jeder seinem Stand entsprechend. Wenn sie uns auch nicht in den Stand der Vollkommenheit versetzen, so geben sie uns doch die Vollkom-menheit selbst. Darum sind wir alle verpflichtet, diese Tugenden zu üben, wenn auch nicht alle auf gleiche Weise.
Es gibt zwei Arten von Gehorsam: den gebotenen und den freiwilligen.  

Der gebotene Gehorsam verpflichtet uns, der kirchlichen Obrigkeit zu gehorchen: dem Papst, unserem Bischof, unserem Pfarrer und den von ihnen bestimmten Vorgesetzten. Du mußt auch weltlichen Obrigkeiten gehorchen; dem Staatsoberhaupt und den rechtmäßigen Behörden des Landes; ferner deinen persönlichen Vorgesetzten: dem Vater, der Mutter, den Lehrern. Man spricht hier von Pflichtgehorsam, weil sich keiner der Verpflichtung entziehen darf, diesen Vorgesetzten zu gehorchen; sie haben ihre Gewalt zu befehlen und zu regieren von Gott, jeder in seinem Bereich. Tu also, was sie anordnen, das ist deine Pflicht.
Willst du aber vollkommen sein, dann folge auch ihren Ratschlägen, Wünschen und Meinungen, soweit Liebe und Klugheit es zulassen. Gehorche, wenn sie Angenehmes befehlen, z. B. zu essen oder sich zu erholen; obwohl es zu diesem Gehorsam keiner großen Tugend bedarf, wäre der Ungehorsam doch ein grober Fehler. Gehorche in gleichgültigen Dingen, z. B. dieses oder jenes Kleid zu tragen, den einen oder anderen Weg zu gehen, zu singen oder zu schweigen, und es wird ein sehr lobenswerter Gehorsam sein. Gehorche aber auch in schwierigen, unangenehmen und beschwerlichen Dingen, dann wird dein Gehorsam vollkommen sein. Gehorche endlich ruhig, ohne Widerrede, rasch, ohne Zögern, freudig und ohne Ärger; besonders aber gehorche liebevoll, aus Liebe zu dem, der gehorsam ward bis zum Tod am Kreuz (Phil 2,8), der lieber das Leben aufgeben wollte als den Gehorsam, wie St. Bernhard sagt.
Damit du deinen Vorgesetzten leichter gehorchen lernst, gib gern dem Willen Gleichgestellter nach; füge dich ihren Ansichten, soweit sie nicht schlecht sind, ohne streitsüchtig oder rechthaberisch zu sein. Passe dich auch gerne den Wünschen deiner Untergebenen an, soweit es die Vernunft zuläßt, ohne herrisch Gewalt über sie auszuüben, solange sie gut sind.
Es ist falsch zu glauben, daß man im Kloster leichter gehorchen würde, wenn man nur schwer und widerwillig denen Gehorsam leistet, die Gott über uns gesetzt hat.

Freiwilligen Gehorsam nennen wir jenen, zu dem wir uns aus freien Stücken verpflichten, ohne daß ihn ein anderer uns auferlegt. Man kann sich gewöhnlich nicht seinen Fürsten oder Bischof, Vater oder Mutter aussuchen, oft nicht einmal den Gatten, wohl aber den Beichtvater und Seelenführer. Ob man sich nun durch ein Gelübde zum Gehorsam gegen ihn verpflichtet (wie die hl. Theresia, die außer dem feierlich gelobten Ordensgehorsam sich noch durch ein einfaches Gelübde zum Gehorsam gegen Pater Gracian verpflichtete) oder ohne Gelübde einem Menschen zu gehorchen verspricht, man nennt in beiden Fällen diesen Gehorsam einen freiwilligen, weil er von unserem Willen und unserer Wahl abhängt.
Man muß allen Vorgesetzten gehorchen, jedem aber in seinem Amtsbereich: den staatlichen Behörden in irdischen Dingen, den Bischöfen in kirchlichen, dem Vater, Lehrer und Gatten in persönlichen, in den seelischen Angelegenheiten dem Seelenführer und Beichtvater.
Bitte deinen Beichtvater, daß er dir Andachtsübungen vorschreibe; sie gewinnen dadurch an Wert und bringen dir doppelte Gnade: einmal als fromme Übung und zweitens als Akt des Gehorsams, der sie angeordnet hat und kraft dessen sie ausgeführt werden. Selig die Gehorsamen, denn Gott wird sie niemals irregehen lassen.




LinkWithin

Related Posts with Thumbnails